Das Matcha-Dilemma

Über unsere moderne Obsession mit Sündenböcken.

In den 80ern verdammten Eltern MTV als moralisches Gift für ihre Kinder.

In den 90ern machten wir Videospiele für Schulschießereien verantwortlich.

Heute? Wir geben Social-Media-Algorithmen die Schuld an… nun ja, praktisch allem.

Und jetzt haben wir ein neues Opfer unserer moralischen Panik entdeckt: die Matcha-Kultur.

TikTok, Instagram quellen über mit grünen Getränken und grünen Desserts. Das leuchtend grüne Teepulver aus Japan, einst zentraler Bestandteil traditioneller Zen-Zeremonien, ist zum Trendprodukt geworden.

Weil es ja so unglaublich gesund ist.

Oder zumindest behaupten das die gleichen Influencer, die uns letztes Jahr Knochenbrühe als Wundermittel verkauft haben. Die Nachfrage wächst schneller, als sie bedient werden kann. Eine jahrhundertealte Tradition, reduziert auf ein paar Sekunden Bildschirmzeit.

Und wir suchen wieder nach dem Übeltäter.

Aber wie bei MTV und Videospielen zuvor, fehlt uns etwas Entscheidendes: Selbstreflexion.

Die Ironie entgeht mir natürlich nicht: Hier bin ich, in einem sozialen Netzwerk, und schreibe über einen Trend, der auf sozialen Netzwerken entstanden ist.

Das Problem ist nicht Matcha. Es ist nicht die Knochenbrühe. Es ist nicht der Algorithmus.

Das Problem sind wir.

Wir, die wir nach schnellen Lösungen suchen. Wir, die wir Zen in einem Löffel Pulver finden wollen.

Wir suchen ständig nach Sündenböcken, weil es einfacher ist als Selbstreflexion. Der Spiegel ist unbequemer als die Zeigefinger.

Wir sind nicht nur Konsumenten.

Wir sind Gestalter einer Kultur.

Unserer Kultur.

Mit jeder Tasse Matcha, mit jedem Post treffen wir eine Entscheidung über die Welt, die wir schaffen wollen.

Wir folgen nicht nur Trends. Wir setzen Signale. Mit jedem Klick. Mit jedem Post.

Ideen für
eine bessere
Zukunft

Michael Okada

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