Wir ernten was wir gesät haben

Ein deutscher Influencer beschallt eine überfüllte Tokioter U-Bahn mit aggressivem Techno. 5 Millionen Views. Eine Content Creatorin nutzt ein jahrhundertealtes Shinto-Heiligtum als Fitnessstudio während Gläubige direkt neben ihr beten.

Die Gleichung ist einfach: Kulturelle Grenzverletzung + Exotik = Reichweite.

Eine Strategie, die funktioniert. Und die wir mit jedem Klick belohnen.
Wohin das führt? Japan zeigt uns, wie es endet.

In Japans Idol-Industrie wird die Aufmerksamkeitsökonomie nicht kritisiert, sie wird perfektioniert. Ein Milliardengeschäft, basierend auf totaler Kontrolle.
Teenager unterschreiben Verträge, die ihnen romantische Beziehungen verbieten.
– Keine Gewichtszunahme.
– Keine neue Frisur.
– Keine Privatsphäre.
Ihr Leben? Eine Marke, die allen gehört, nur nicht ihnen selbst.

„Das ist Japan, nicht Deutschland!“
Wirklich? Schauen wir genauer hin.

Unsere Influencer? Keine Verträge, die Beziehungen verbieten. Aber die ungeschriebene Regel kennen alle: Dein Liebesleben ist entweder Content oder es existiert nicht.

Sie haben keine Manager, die ihre Körper kontrollieren.
Sie haben etwas Schlimmeres:
Kommentarsektionen und Algorithmen, die grausamer urteilen, als jeder Mensch es könnte.

In Japan stehen die Regeln im Vertrag. Bei uns stehen sie nirgends und sind dadurch noch unbarmherziger.

Das Verhalten des deutschen Influencers in Tokio ist kein moralisches Versagen. Es ist ein Systemerfolg.

Er wurde nicht respektlos geboren. Er wurde dazu trainiert: Durch jeden Like, jeden View, jeden Euro.

Grenzüberschreitung = Aufmerksamkeit = Monetarisierung = Mehr Grenzüberschreitung

Der Algorithmus hat ihn trainiert wie Pavlov seinen Hund: Likes klingeln, Dopamin fließt, Verhalten verstärkt sich.

Unsere kollektive Empörung? Nur ein weiterer Beweis, dass seine Strategie perfekt funktioniert.

Warum es uns alle angeht.

Weil es längst nicht mehr um einzelne Influencer geht.
Es geht um die Werte, die wir in unserer Gesellschaft fördern.

Wir bauen eine Kultur, in der Authentizität zur Strategie wird, Respekt verhandelbar ist und junge Menschen lernen, ihre Persönlichkeit nach Algorithmen zu formen.

Sie tun es aus freien Stücken. Sie tun es aber vor allem, weil wir genau dieses Verhalten belohnen.

Wir können die Algorithmen nicht abschalten.
Aber wir können entscheiden, was wir sichtbar machen. Wen wir fördern. Was wir teilen. Wem wir zuhören.

Der Algorithmus belohnt Verhalten.
Aber wir, Führungskräfte, Eltern, Mentoren, definieren, was als Erfolg gilt.

Es geht nicht darum, den Algorithmus zu besiegen. Es geht darum, zu bestimmen, wer wen formt.

Wir ihn oder er uns.

Denn Aufmerksamkeit ist nicht das Problem.
Die Frage ist, wofür wir sie einsetzen.

Ideen für
eine bessere
Zukunft

Michael Okada

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